Experimentalanlage J1 Prag
Wenn man will, geht alles. Ohne Rücksicht auf Verluste geht sogar mehr.
Anlage in Kürze | |
Baubeginn | 2014 |
PV-Generatoren | 2 Stück (2280, 1140)Wp |
PV-Kapazität | 3420Wp (9 x 380Wp) |
Speicherkapazität | 22,2kWh (15,3kWh + 4,6kWh + 2,3kWh) |
Anlagentyp | DC/AC Hybrid, schwarzstart, 1-Phase |
Historisch gewachsen
Eine PetaJoule Anlage mit Experimentalcharakter steht in Prag. Genau genommen die älteste Anlage von PetaJoule. Seit 2014 werden mit dieser Anlage verschiedene Konzepte erprobt und Langzeiterfahrungen gesammelt. Begonnen wurde im Mai 2014 sehr provisorisch - mit dem Test eines Mikro-WR an einem Winaico 260WP Modul.
Nach umfangreichen Tests im Juli 2014, ob so ein Mikro-WR auch als AC-Ast in einem Victron Mikrogrid funktionieren könnte (ja - funktioniert)...
...wurde dann im August 2014 ein erster PnP PP (Plug-and-Play Power Plant) Prototyp in Betrieb genommen. Hierbei wurde den PV Modulen ein Victron MPPT nachgeschaltet, welcher eine 24V LFP Batterie lädt und erst aus dieser Batterie den Mikro-WR bedient:
Die Zellen wurden in der fachgerechten Kiste zwar unter ein PV Panel versteckt, aber doch mit voller Absicht ohne BMS für 3 Jahre bei Wind und Wetter sich selbst überlassen. Nach 2 Jahren war die Plastikkiste dann auch schon EOL:
Die Zellen waren prinzipiell ok, jedoch nicht so balanciert wie man sich das wünschen würde. Ein Jahr später - im September 2017 - kam die erste größere Modifikation. Bedingt durch Kabelarbeiten in der Straße sollte es zu einem (voraussichtlich) ganztägigen Stromausfall kommen.
Natürlich hatte PetaJoule anderweitig reichlich Erfahrung aus Tests gesammelt, aber nun schien der Augenblick gekommen zu sein um die Gerätschaften aus den Laborbedingungen in einen realen Tagesbetrieb überzuführen.
Es wurde daher - auf die Schnelle binnen Tagesfrist - für den Haushalt ein provisorisches Mikrogrid mit einem Victron Quattro 48V/5kVA und einer 4.6kWh LFP Batterie eingerichtet. Die Verkabelung war richtig spektakulär:
Kurz darauf wurden die PV Module des "AC Astes" endlich mittels Schletter Falzklemmen auf das heiße Blechdach befestigt, die 24V Batterie bekam ebenfalls ihr BMS und wurde samt Mikro-WR und Victron MPPT in eine stabile Metallkiste von Rittal verfrachtet:
Die Verkabelung und Elektroinstallation erhielt in der Folgezeit ein wenig Pflege, ansonsten lief die Anlage so unverändert (aber nicht ereignislos) bis März 2022. Im Zuge der gestiegenen Energiekosten und wegen dem Wunsch nach einer größeren Energieautarkie - siehe Ukraine - wurde die Anlage im März/April 2022 beträchtlich erweitert:
- AC Ast wurde von 2 x 260Wp auf 3 x 380Wp "aufgebohrt"
- Es kam ein DC Ast mit 6 x 380Wp an einem MPPT RS 450/100 hinzu
- 15,3kWh zusätzliche Batteriekapazität (insges. 22.2kWh)
- Es wurde ein Honda Generator EU 32i angeschafft
Experimentell, aber signifikant
Die Anlage behielt bis heute ihren Experimentalcharakter, wurde durch diese Erweiterung jedoch zu einem signifikanten Faktor in der Energieversorgung und Energieabsicherung des Haushaltes.
Vergleich | Vorher | Nachher |
Überbrückungszeit | bis 10h | ~48h (Batterie), 1Woche (Generator) |
PV-Kapazität | 520Wp | 3420Wp |
schwarzstartfähig | nein | ja |
SoC Präzision | 1% | 0,1% (SmartShunt) |
Der Haushalt hat einen Jahresverbrauch von ca. 6MWh. Hiervon wurden früher ~0.5MWh (8%) durch den Mikro-WR gedeckt. Das neue System deckt 50% des Jahresverbrauchs. Hierbei ist es notwendig zu bedenken, dass das Ganze in einer Mietwohnung in einem angeblich denkmalgeschützten(*) Gebäude stattfindet - viel mehr geht an diesem Ort also nicht.
(*) "Das Dach muss grün bleiben" - so die Ansicht der "Denkmalschützer".
Generator: Das ungeliebte Schmuddelkind
Er ist laut, teuer, unwirtschaftlich und stinkt. Dennoch ist der Benzingenerator eine wichtige Komponente dieser Installation wenn es um Autarkie geht. Dank der Möglichkeiten welche die Victron Quattros bieten, kann er sogar sein maximales Potenzial ausspielen.
Ein Notstromgenerator ist wirklich der letzte Strohhalm zu dem man greift, wenn anderweitig kein Strom verfügbar ist. Temporär aufgebaute Imbissbuden am Badesee und auf der Kirmes nutzen diese Lösung oft im Direktverbrauch: Generator -> Verbraucher.
Das ist aber so richtig schlimm, denn wenn kein Bedarf ist, läuft der Generator trotzdem - quasi im Leerlauf - und regelt entsprechend bei Strombedarf seine Leistung rauf und runter, fährt also selten im optimalen Lastbereich. Das Resultat ist eine unsäglich schlechte Energieeffizienz, welche Sie natürlich mit einem überteuerten Wurstbrot finanzieren.
Im Zusammenspiel mit einem Victron Quattro ergeben sich aber gleich mehrere Vorteile:
- Der Generator kann konstant in einem optimalen Lastbereich fahren, denn was nicht direkt verbraucht wird, geht in die Batterie. Die Treibstoffeffizienz ist maximal, ebenso ist die Belastung des Aggregats (konstante Drehzahl) minimal.
- Probleme mit Überlast werden dank des "Power Assist" des Victron eliminiert. Hierbei schießt der Victron Energie aus der Batterie hinzu, wenn die (Spitzen-)Last über der Generatorkapazität liegt.
- Ein plötzlicher Ausfall des Generators führt nicht zum Ausfall der Stromversorgung (UPS Feature) für die Verbraucher.
- Zeitliche Unabhängigkeit. Man kann natürlich mit dem Generator tagsüber vorarbeiten und nachts aus der Batterie fahren, denn eine Batterie beglückt die Nachbarn schließlich nicht mit 90 Dezibel.
Dennoch ist nicht alles rosig, es gibt Umwandlungsverluste. Beispielsweise sagt die Generator-App, dass gerade 2470W abgegrufen werden, Victron behauptet bei ihm kommen 2340W an. Der SmartShunt sagt in die Batterie gehen 2100W. Mit anderen Worten, 15% Verlust auf dem Weg Generator -> Batterie.
Die Gestehungskosten sind auch nicht ohne. Bei einem Benzinpreis von 1,65€/l liegen die Kosten pro kWh bei 60ct - Amortisation des Generators noch nicht eingerechnet! Damit bleibt ein Generator etwas für den absoluten Notfall, vorausgesetzt man hat genügend Treibstoff eingelagert. Auf der anderen Seite ist ein Stromausfall in einer kalten Dezembernacht mit leerer Batterie auch nicht lustig.
Aktueller Stand
Stand Mitte 2023 ist die Anlage in der neuen Konfiguration und ein paar Optimierungen seit September 2022 im Regelbetrieb.
Da die Anlage nicht ins Netz einspeist, macht sich die im Vergleich zum PV-Generator hohe Batteriekapazität positiv bemerkbar. Der Großteil der Überschüsse geht in die Batterie um daraus den Strombedarf Abends/Nachts zu decken. Im Bild oben ist die Bilanz für den DC Ast abgebildet, der AC Ast der Anlage ist äquivalent mit 50% der Kapazität.
Mithin werden bei einem Jahresbedarf von 6MWh ca. 3MWh von der Anlage gedeckt und die anderen 3MWh werden aus dem Netz bezogen. Aufs Jahr gerechnet bedeutet dies eine CO₂ Ersparnis von 2.4t und eine finanzielle Ersparnis von ca. 800€.
In dieser Zeit gab es zwei Stromausfälle (25.2.2023 und 1.3.2023). Einer davon legte wegen einem Fehler am Umspannwerk den gesamten Stadtteil für knapp 2,5 Stunden lahm - einschl. Straßenbahnbetrieb. Beide Ausfälle wurden mühelos überbrückt, genau genommen nicht einmal bemerkt.
5.9.2023 - Ein kleines letztes Update
Der gut funktionierende, aber mit knapp 10 Jahren schon ins Alter gekommene Involar Mikrowechselrichter wurde im August 2023 durch einen Hoymiles 350 Mikro-WR ersetzt.
Zunächst war der Hoymiles im Victron Microgrid etwas schüchtern, aber das hat sich mittlerweile doch gut eingependelt. Da die Ausgangsleistung vom Hoymiles mit seinen 350W (an der Batterie leistet er bis 370W) recht genau der Grundlast des Haushalts entspricht, kommt es nun zu der interessanten Situation, dass der Victron oft nur das Microgrid bereitstellt, aber 0W Leistung liefern muss:
Demonstrator
Die Anlage dient bei Hands-On Schulungen und Kundenberatung als Demonstrator und kann entsprechend besichtigt und "ausprobiert" werden.